08 09 1999

Ministerium der Justiz
Dr. Wehowsky
Postfach 3260
55022 Mainz

Betreff: Ihr Schreiben vom 03.09.1999 Akt. 4061 E 99 -4- 3

Sehr geehrter Herr Dr Wehowsky,

ich danke Ihnen für Ihre Antwort auf mein Schreiben vom 27.08.99. Jedoch geht es mir nicht - wie von Ihnen interpretiert - um eine generelle Freigabe von Drogen. Eine freie Verfügbarkeit von harten Drogen sollte natürlich weiter verhindert werden.

Die aktuellen Bemühungen der Bundesregierung, Suchtopfern von harten Drogen durch Konsumräume und vermehrte Therapieangebote eine Rückkehr in ein normales Leben zu ermöglichen, sind durchaus ein Schritt in die richtige Richtung und es freut mich zu hören, daß diese Maßnahmen von Ihrer Landesregierung unterstützt werden.

In erster Linie galt mein Brief einem Umdenken in Bezug auf die leichte Droge Hanf, der in den unterschiedlichsten Gesellschaftsschichten genossen wird und keineswegs zu sozialer Degeneration und schwerer körperlicher Sucht führt. Jedoch können Sie in Ihrer Beurteilung nicht vorurteilsfrei auf diese Punkte eingehen, da Sie anscheinend bei diesem Thema ewig den schwerstabhängigen Mischkonsumenten vor Augen haben der für alle offensichtlich am sozialen Abseits treibt und mit dem Sie in Ihrem Ressort wahrscheinlich am häufigsten zu tun haben. Sie erliegen dem Glaube, das Konsumenten leichter Drogen grundsätzlich in einem starken Abhängigkeitsverhältnis stehen und am Ende als Heroinsüchtige sterben, was im Gegenzug jeden Weinfestbesucher zum Spititus trinkenden Alkoholiker mit kaputter Leber erklären würde.

Dem Lob Ihrer momentanen Verbotsstrategie kann ich leider nicht folgen und stelle Ihnen die Gegenfrage, wieviel Drogentote wir wohl letztes Jahr gehabt hätten, wenn die von Ihnen Angeführten Konsumentengruppen kontrolliert mit sauberen Drogen versorgt worden wären?

Ich wehre mich gegen Ihre Aussage, ich hätte behauptet, daß eine Freigabe von Hanf oder leichten Drogen wesentliche Teile des organisierten Verbrechens austrocknen würde. Ich vertrete lediglich die Ansicht, daß diese kleinen Teilbereiche mit einer Freigabe wesentlich besser kontrolliert und genutzt werden könnten, was im Endeffekt wieder eine Umsatzquelle der kriminellen Organisationen einschränkt und verhindert. Ist es nicht einfacher Zigarettenschmuggler zu fangen als Raucher zu entwöhnen und Automatenaufsteller zu kriminalisieren? Ihre haarsträubende Theorie läßt eher darauf schließen, daß Drogenkonsumenten grundsätzlich böse sind und, so sie keine Drogen konsumieren können, andere Verbrechen begehen oder aber, daß wir den illegalen Drogenhandel benötigen, damit die anderen Verbrechensbereiche nicht weiter ausgebaut und erschlossen werden was mir jedoch etwas weit hergeholt scheint.

Wäre es nicht wesentlich einfacher Konsumenten / Besitzer kleiner versteuerter Mengen legalisierter Drogen in Ruhe zu lassen, und nur z.B. im aktiven Staßenverkehr mit effizienten Tests zu verfolgen und nach Art der Alkoholsünder zu bestrafen, anstatt sie jedesmal Erkennungsdienstlich zu behandeln und die Strafverfolgungsverfahren anlaufen zu lassen (um sie bei kleinen Mengen wieder einzustellen)?
Die Vorteile die in den Bereichen Arbeitsmarkt, Steuern und soziale Entwicklung durch eine tolerantere Politik gegenüber Hanf erreicht werden können, habe ich in der Anlage meines letzten Schreibens wohl mehrfach aufgezeigt. Wie wäre es einmal offensiv auf eine neue Art mit Hanf umgehen ohne den Fortschritt als Rückschritt oder Nachgeben in unserer soziale Entwicklung zu empfinden?

Mit freundlichen Grüßen

Harald Muselmann