Staatsministerin Marlies Mosiek-Urban

Hessisches Sozialministerium

Dostojewskistraße 4

65187 Wiesbaden

 

 

 

 

Betreff: Ihr Schreiben vom 22.06.99 LMB / Herr Dr. Wilhelm Kanther

 

Sehr geehrte Frau Staatsministerin Mosiek-Urban,

ich danke Ihnen für das Schreiben von Ihrem Sachbearbeiter Dr. Wilhelm Kanther. Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob Sie den Inhalt meines Briefes richtig bewertet haben. Es geht mir keinesfalls um eine generelle Freigabe von Rauschgift oder einem „Nachgeben im Bereich des Strafrechts" bei Schmuggel oder illegalem Verkauf. Natürlich ist es in unser aller Interesse, wenn kriminelle Vereinigungen zerschlagen werden und eine breite Aufklärung über Rauschgift und Betäubungsmittel in unserer Gesellschaft langfristig dazu führt, daß weniger (und schlußendlich keine) Drogen konsumiert werden.
Jedoch führen Maßnahmen wie hochgerüstete Polizeieinheiten in Verbindung mit dem Zeigen von Raucherlungenphotos und dem Besuch eines fertigen Ex-Junkies im Klassenzimmer wohl kaum zum gewünschten Erfolg.
Auch stark verbesserte Grenzkontrollen können in diesem Bereich keine zuverlässige Abhilfe schaffen. Dieser Schluß ließe sich nur ziehen, wenn es in den 70er und 80er Jahren, in denen die Grenzen nach Osten mehr oder weniger versiegelt waren und jene nach Westen noch stärker kontrolliert wurden, keine bzw. kaum Rauschgifte usw. gegeben hätte.

Die von Ihnen angeführten Maßnahmen sind das Standardpaket welches schon die ganzen letzten Jahre von der deutschen Politik verfolgt und verkündet wurde und welches bisher zu keiner Lösung der Probleme führte (nicht einmal zu einem tendeziellen Rückgang des Bedarfs). Abgesehen davon, wird es Ihnen kaum gelingen, mir irgend ein Land auf unserer Erde zu nennen, in welchem die angesprochenen Probleme auf diese Art gelöst wurden. An dieser Stelle läßt sich wieder besonders gut das Beispiel Amerika anführen, wo Milliarden in die offensive Drogenbekämpfung gesteckt werden, und sich inzwischen schon kleine Kriminelle tödliche Schießereien mit der hochgerüsteten Polizei liefern um der Justiz zu entgehen, ohne das der Konsum der Gesellschaft (der Bedarf) zurück geht (ganz abgesehen davon gibt es ja auch einige Länder in denen Menschen wegen Drogenbesitz hingerichtet werden - und es finden sich immer wieder ein paar).

Was würde aber passieren, wenn wir - was meiner Auffassung nach völlig utopisch ist - alle bekannten Drogen abfangen und erfolgreich aus dem Verkehr ziehen würden, ohne daß die gesamte Gesellschaft (oder zumindest 95%) nach den Idealen eines „Stimulations freien Lebens" strebt? - Wir wären wieder da wo wir heute sind. Es gäbe einige Menschen die jegliches Risiko auf sich nehmen würden um den Bedarf der Menschen durch neue Einfuhrarten oder durch neu entwickelte Drogen zu decken.

An dieser Stelle läßt sich der, unter jungen Leuten, stark zunehmende Konsum von stark aufputschenden (synthetischen) Rauschgiften wie Extasy anführen, der sich erst wärend der Amtszeit der letzten Bundesregierung (die bestimmt nicht Drogenfreundlich eingestellt war) entwickelt hat. Diese Drogen verbreiteten sich anfangs aus dem Antrieb neue noch unbekannte (nicht direkt verbotene) Rauschmittel zu liefern und werden in ihrer chemischen Zusammensetzung ständig verändert und weiterentwickelt um dem Gesetzgeber immer eine Nasenlänge voraus zu sein oder um neue Reaktionen zu erzielen. Aus dieser „Versorgen egal wie" - Situation resultieren automatisch Probleme wie starke Verunreinigungen der verkauften Rauschmittel und / oder die Verwendung von toxikologisch höchst bedenklichen Stoffen als Rauschmittelersatz, was wiederum die erschütternde Zahl der Drogentoten nach oben treibt.

Man sollte sich also die Frage stellen, wie man langfristig am besten auf die bestehenden Strukturen und gesellschaftlichen Bedürfnisse Einfluß nehmen kann um sie zukünftig in andere Bahnen zu lenken und den Bürger vor starken Gesundheitsschäden zu bewahren.

Um zur Zeit gesellschaftlich die Haltung der „Rauschmittelabstinenz" vertretbar zu machen, müßte der Konsum aller gesundheitsbeeinflussenden Drogen, wie auch Kaffee, Alkohol und Nikotin stärker eingeschränkt werden, was, wie Sie wohl zugeben werden, ein irrwitziges Unterfangen wäre.

Welchen Weg soll man jetzt einschlagen? Weiterhin versuchen durch fehlgeleitete Symptombekämpfung alles beim alten zu lassen und zu verschlimmern, da keine Veränderungen an den Ursachen bewirkt werden? Oder offensiv auf eine neue Art mit dem Problem umgehen ohne den Fortschritt als Rückschritt oder Nachgeben in unserer soziale Entwicklung zu empfinden.

Wenn wir z.B. Hanf, als leichte und relativ unschädliche Droge, legalisieren und anbauen würden, wäre dies keine Entwicklung eines neuen Marktes, was natürlich nicht zu vertreten wäre, sondern es könnte eine Verlagerung der bestehenden Marktstrukturen (momentanes Umsatzvolumen in Deutschland ca. 15-20 Mrd.DM) bewirken um das Einkommen und Sortiment der momentanen Drogenverkäufer zu schmälern, was wiederum zur Einschränkung der europäischen (internationalen) Drogengeschäfte führt. Genußkonsumeten wären nicht mehr genötigt Hanf illegal auf dem Schwarzmarkt zu erwerben und die Steuereinnahmen und Arbeitsplätze wären quasi ein nettes Nebenprodukt, welches dem Gemeinwohl zugute kommen könnte, in dem man die finanziellen Einnahmen zur präventiven Beratung und zur Einrichtung von Therapieplätzen für Suchtopfer von harten Drogen nutzt, bzw. das Geld für das sozialpolitische Engagement der Länder zur Verfügung stellt.

Mit freundlichen Grüßen